„ZWEI STÄDTE, EINE LIEBE“ SCHUBERT UND ŞEVKI BEY

Kudsi Erguner Projekt

Franz Schubert wurde 1797 in der österreichischen Hauptstadt Wien als Kind armer Eltern geboren. Er erhielt seinen ersten Musikunterricht von seinem Vater und erlernte Geige und Klavier. Schubert, der sein erstes Werk im Alter von 13 Jahren komponierte, wurde zu einem Künstler, der sein Leben lang nicht glücklich war und das, was er wollte, nicht erreichen konnte. Die Lieder des Komponisten, der ein zurückgezogenes, melancholisches, unglückliches und ungesundes Leben führte, sind nicht von Lebensfreude, sondern von Schmerz und Kummer geprägt. Er hat insgesamt 650 Lieder, 8 Sinfonien, etwa 15 Quartette für Streicher und 24 Sonaten für Klavier sowie verschiedene Tänze, Märsche und Ouvertüren komponiert. Bekannte Werke wie „Die schöne Müllerin“ oder „Ave Maria“ haben erst nach seinem Tod Berühmtheit erlangt.

Die Lieder, die er während seines viel zu kurzen, nur 31 Jahre währenden Lebens komponierte, wurden nach seinem Tod sehr bekannt, und er gilt in der westlichen Welt als einer der bedeutendsten Komponisten der Liedform.

Rund 60 Jahre nach ihm wurde 1860 in Istanbul, der Hauptstadt des Osmanischen Reiches, ein anderer sehr bedeutender Liedkomponist geboren: Şevki Bey. Interessanterweise gibt es große Übereinstimmungen zwischen dem Leben von Franz Schubert und dem von Şevki Bey. Wie Schubert, so erkrankte auch Şevki Bey schwer und starb im Alter von nur 31 Jahren – allerdings an Leberzirrhose. Diese beiden Komponisten, die sich auch vom Aussehen her ähnelten, haben beide nicht das Glück im Leben gefunden. Auch die von Şevki Bey komponierten Lieder, mit denen er im Orient einen sehr hohen Bekanntheitsgrad erlangt hat, waren von einer schwermütigen Natur. Ebenso ist die Anzahl der Lieder, die diese beiden Komponisten in ihrer kurzen Lebenszeit komponiert haben, durchaus miteinander vergleichbar. Zwar sind von Şevki Bey nur rund 300 Lieder erhalten, es ist jedoch bekannt, dass er an die 600 Lieder komponiert hat, von denen jedoch wegen der damaligen Schwierigkeit, Noten drucken zu lassen, viele verlorengegangen sind.

Ausgehend von der Überlegung, dass über die Übereinstimmungen in den Lebensgeschichten dieser beiden großen Liedkomponisten des Abend- und des Morgenlandes hinaus vielleicht auch Ähnlichkeiten in den von ihnen hinterlassenen Werken vorhanden sein könnten, entstand der Wunsch, Werke von Schubert und Şevki Bey auf derselben Bühne aufzuführen. Damit laden wir das Publikum dazu ein, bei allen Unterschieden auch die Gemeinsamkeiten in der Musik des Westens und des Ostens zu entdecken.

 

 

Schubert & Şevki Bey Live Konzert-Mitschnitt (Kurze Version)

Schubert & Şevki Bey Live Konzert-Mitschnitt

 

 

Schuberts und Şevki Beys Gemeinsamkeiten

Acikgazete.com / Pazartesi Yazıları, İsmail Bayer, 13.04.2016

Kann es so einen Zufall geben? Diesen Zufall zu erkennen und zu vereinigen ist ein Ereignis für sich. 
Heute befinden sich Franz Schubert und Şevki Bey Seite an Seite. 

Vor allem Kudsi Ergüner gebührt Dank. Dafür, dass er diese zwei unterschiedlichen Menschen ohne ihr Wissen zueinander und auf die Bühne gebracht hat, dafür, dass er sie zusammengeführt hat. 

Montagabend letzter Woche. Wieder auf der Cemal Reşit Rey Bühne in Istanbul. Auf der Bühne befinden sich 8 Künstler. Das „Kudsi Ergüner Ensemble“. Ob es nochmal möglich sein wird diese 8 Künstler zueinander zu bringen und dieses Konzert zu wiederholen, ich weiß es nicht. Aber es ist sehr schwierig. Lassen Sie mich direkt damit beginnen das zu sagen, was ich als letztes sagen werde. Dieses Konzert, dieses Ensemble und dieses Programm sollten in Wien aufgeführt werden. Schuberts und Şevki Beys Istanbul-Treffen sollte auch in Wien verwirklicht werden. Aus Respekt zu diesen zwei Künstlern ist es unerlässlich. Und es würde eine sehr schöne Veranstaltung werden. Auch für den Aufbau eines Festivals oder jede andere Art der Veranstaltung, das Ministerpräsidium sollte dies verwirklichen. 

Warum?
Franz Schubert scheidet 1828, mit 31 Jahren in Wien aus dem Leben. 

Und 31 Jahre später, kommt in Istanbul im Stadtteil Fatih, Şevki Bey zur Welt. 1891 scheidet auch dieser mit 31 Jahren aus dem Leben. So viel Ähnlichkeit kann es doch gar nicht geben. 31 Lebensjahre und 31 Jahre dazwischen.

Zwei Menschen der Musik, die sich nicht kannten, in unterschiedlichen Ländern und Städten lebten, für verschiedene Musikrichtungen Werke lieferten, nehmen Abschied von dieser Welt. Was von ihnen bleibt sind Lieder und Şarkılar. Ihr Inneres haben sie in ihrer Musik wiedergespiegelt, vor allem ihre Liebe. Zerbrechlich, leise, aber Gewitter entspringen in ihnen. Alles seien sie gemeinsam in einem Garten, würden gemeinsam Blumen sammeln, als erlebten sie Schmerz und Freude zusammen. In unterschiedlichen Ländern, Städten und Kulturen, zwei eigene Sturzbäche der Gefühle, gleichsam ein Dasein.

Am Klavier eine junge Künstlerin, Anastassiya Dranchuk. Zweifellos kennt sie die musikalische Ausbildung, welche er erhalten hat, sein Leben, sie kennt Schubert und seine Musik. Doch mit Şevki Bey schließt sie bestimmt aufgrund dieses Programmes zum ersten Mal Bekanntschaft. Vielleicht kommt sie auch zum ersten Mal in Şevki Bey´s Heimat nach Istanbul. Im Rahmen dieses Programmes lernt sie seine Şarkılar kennen. Wenn sie von Liedern zu Şarkılar wechselt, weichen ihre Hände meist nicht von den Klaviertasten.  Sie begleitet die Kastenzither Kanun und die Langhalslaute Tanbur, wie auf Zehenspitzen kommt sie hinter der Rohrflöte Ney daher. Die Lieder so wie die Zuschauer sind wie in einem Traum auf der Bühne.  Wie bei einem Abendprogramm vor Jahrhunderten, als sei sie aus Wien in den Osmanischen Palast gekommen und rufe die Möwen an.

Von Şevki Beys Rast makam zu seinem Uşşak makam, vom Hicaz zum Hüseyni makam und Kudsi Ergüner. Die Familientradition der Ney  behält er seit seinem Großvater bei. Frankreich Paris ist zwar der Mittelpunkt, doch viele Länder allen voran europäische Länder bereist dieser Künstler mit Konzerten, seiner Ney und unterschiedlichen Projekten. Ich versuche seit 15 Jahren seine Konzerte in der Türkei nicht zu versäumen. Meine Eindrücke vieler seiner Konzerte habe ich hier als auch in der Cumhuriyet geteilt. Ein Ney spielender Architekt. Ohnehin ist er Architekt. Aber heute Nacht ist er auch der Architekt der Nacht und des Programms. Das Projekt „Zwei Städte, eine Liebe“ des Kudsi Ergüner Ensemble, welches Schubert und Şevki Bey zusammengeführt hat, sollte nicht nur bei dem einen Auftritt in Istanbul letzte Woche bleiben. Es sollte unbedingt auch in eine CD verwandelt werden. 

Jedoch möchte ich wiederholen was ich zu Beginn sagte. Dieses Konzert musste auch in Wien stattfinden. Zwischen Istanbul und Wien muss historisch eine Brücke der Musik bestehen. Şevki Bey sollte bis zu den Toren Wiens gehen und sich dort mit Schubert treffen. 

Wir haben noch nicht einmal mitbekommen wie die Zeit bei diesem fast zweistündigen Konzert ohne Pause vergangen ist. 

Die Langhalslauten Saz und die Klänge, die Lieder und Şarkılar sind so sehr verschmolzen, dass der Beifall der Zuschauer nicht abbrach und die Nacht mit einer Zugabe ihr Ende fand. 

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